Weihnachtszeit in Chile

An manchen Tagen ist es für mich sehr viel deutlicher vernehmbar, dass ich mich in einem mehr oder weniger fremden Land, auf einem anderen Kontinent befinde, als an anderen. Die Weihnachtszeit war voll von Tagen dieser Art. Angefangen beim Wetter: fast jeden Tag über 30 Grad stellen doch einen Kontrast her zu dem stillen, weiß-grau-schwarzen Winterwetter, welches in Deutschland um diese Zeit herrscht. Während man mich in Deutschland in den Wintermonaten nur in den seltensten Fällen ohne Tee, Wärmflasche oder zumindest zwei paar Socken antrifft, bin ich hier in Santiago froh, wenn ich mir auf dem ca 20 minütigen Fußweg zur Arbeit keinen Sonnenbrand einfange. Bei der Arbeit wurde ich in eine Art Krippenspiel involviert: ich sollte die Maria darstellen. Jede Woche kam eine neue „Figur“ dazu: Josef, der Engel Gabriel und schließlich das Jesuskind (repräsentiert von Mitarbeitern der Sala Cuna und einem der Kinder). Typisch wie so vieles in meinem Arbeitsalltag, wurden auch die kleinen „Theaterstücke“ sehr spontan auf- Bzw. durchgeführt. Mir wurde meist ca 5 Minuten vorher (wenn überhaupt) mitgeteilt, was grob von mir erwartet würde. Nichtsdestotrotz hat mir das ganze Spaß gemacht, ein bisschen Improvisationskunst zu üben, hat denke ich noch niemandem geschadet. Aber auch solchartige Aktivitäten oder die Weihnachtsmusik bei der Arbeit haben es nicht wirklich geschafft die Weihnachtsstimmung in mir zu wecken. Die Weihnachtszeit war jedoch genau so wie in Deutschland durch einige Traditionen geprägt, deren Beobachtung mir große Freude bereitet hat:

Jeden Freitag feierten die Mitarbeiterinnen des Jardins und der Sala Cuna eine Adventsandacht. Zum Vaterunser ist es zu diesem Anlass üblich, dass alle aufstehen und sich an den Händen fassen. Daraufhin erklingt eine Version von „the Sound of Silence“, unterlegt mit einer exzellent ausgewählten Fotoslideshow, zu der das padre nuestro (mehr oder weniger) inbrünstig rezitiert wird. Hier der Link: https://youtu.be/Ag_TMaNsMmk

Ich muss zugeben, dass ich mir das Schmunzeln hier teilweise nicht ganz verkneifen konnte. 

Gleichermaßen faszinierend war für mich der deutliche Unterschied des ästhetischen Empfindens, welches bei den Chilenen so ganz anders zu sein scheint als bei mir. Kunterbunte Lichterketten sind hier meist nicht genug: als so richtig SCHÖN gelten die Lichter erst, wenn sie zu einem Blinkrhytmus fähig sind, der meiner Meinung nach stark in Richtung Dubstep tendiert. Apropos Dubstep: auch musikalisch sind die Chilenen zur Weihnachtszeit anders eingestellt: nichts da mit stille Nacht, unsere Nachbarn haben uns den ganzen Heiligabend lang bis früh morgens mit ihren super lauten (und ebenfalls bunt leuchtenden) Bassboxen beschallt, wie jeden Tag, warum sollte man auch gerade an einem Feiertag eine Ausnahme machen? Was auch ganz anders ist, mir jedoch gefällt sind die kulinarischen Traditionen: typisch chilenisch sind zur Weihnachtszeit Pan de Pasqua (Osterbrot) und Cola de Mono (Affenschwanz). Die Namen sind hier jedoch irreführend: Pan de Pasqua besteht aus süßem Teig mit Nüssen und Trockenfrüchten und könnte vielleicht ein entfernter Cousin des deutschen Christstollens sein. Cola de Mono erinnert stark an Baileys und wird üblicherweise zu besagtem „Osterbrot“ serviert. Wir in der WG haben darauf verzichtet uns daran zu versuchen „typisch deutsches“ Weihnachtsessen zu zaubern, was letztendlich doch niemals so schmecken würde wie von Mama oder Oma (bzw. Papa, Opa oder sonstwem) gekocht. Wir haben uns stattdessen einen Grill gekauft. Außerdem sehr viel Gemüse, Lachs, sowie das ein oder andere Gerstenkaltgetränk und eine entspannte Grillsession auf dem Patio gestartet. Mit leckerem Essen und der Gesellschaft meiner wunderbaren Mitbewohner kam dann letztendlich doch etwas festliche Stimmung auf, sodass kein Platz war für Heimweh. Der 25. Dezember war der einzige freie Tag, danach ging es dann sofort wieder an die Arbeit. Auch an Silvester haben wir am 31. Dezember noch den halben Tag gearbeitet. Danach haben wir uns aufgemacht nach Valparaiso, wo jedes Jahr die anscheinend größte und beste Silvesterparty Lateinamerikas stattfindet. Den Abend habe ich ebenfalls genossen, jedoch wurde es irgendwann sehr kalt und der Bus nach Santiago ging erst um sieben Uhr morgens, was die ganze Erfahrung etwas geschmälert hat. Nichtsdestotrotz ein gelungener Start ins neue Jahr. 

Das „Jahr“ in der Sala Cuna hingegen, neigt sich erst jetzt dem Ende zu: im Februar sind Sommerferien und danach gehen die meisten der Kinder in den Kindergarten direkt gegenüber. Für mich bedeutet das Veränderung: zum einen werden wir ab März mit „neuen“ Kindern arbeiten. Und zum anderen wird auch die Zusammensetzung der Teams jeder Sala verändert, sodass ich mit großer Wahrscheinlichkeit ab März neue Arbeitskolleginnen habe. Ich bin natürlich gespannt, wie sich das Ganze entwickelt, freue mich jedoch ehrlich gesagt erstmal auf meinen Urlaub. Vor kurzen haben meine Mitbewohner und ich festgestellt, dass während unserer Schulzeit selten zwei Monate ohne Ferien vergangen sind. Vielleicht sehne ich mich deshalb nach ein paar Tagen Pause, vielleicht ist es die Hitze, die die Arbeit jeden Tag erschwert. Auf jeden Fall habe ich große Lust, demnächst auf meiner Reise nach Argentinien und Bolivien neue Orte und Menschen kennenzulernen.

Auch davon dann hoffentlich ein Bericht, wenn auch vielleicht verspätet, so wie dieser. 

Ich wünsche euch allen nachträglich ein frohes neues Jahr, auf dass es voll sein wird von Liebe und vielen unvorhergesehenen Ereignissen.


Auf bald,

Emily

Aufnahmen vom letzten Tag mit den Kindern
Aufnahmen vom letzten Tag mit den Kindern